E. Hunziker: Zofingen vom Mittelalter bis 1798

Titel
Zofingen vom Mittelalter bis 1798. Eine selbstbewusste Landstadt unter Habsburg und Bern


Autor(en)
Hunziker, Edith
Reihe
Veröffentlichungen zur Zofi nger Geschichte, Bd. 4
Erschienen
Baden 2004: hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte
Anzahl Seiten
405 S.
Preis
€ 52,80
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christian Lüthi, Universitätsbibliothek Bern

Die Zofinger Stadtregierung gab 1977 dem Historiker August Bickel den Auftrag, innerhalb von zehn Jahren ein Handbuch zur Geschichte der Stadt von den Anfängen bis in die Gegenwart zu erarbeiten und zu publizieren. Es sollte jedoch 27 Jahre dauern, bis das Ziel mit dem vierten und letzten Band der Zofinger Stadtgeschichte erreicht war. Dazwischen erlebte das Unterfangen eine Krise und einen erfolgreichen Neustart. Bickel legte 1988 ein Manuskript vor, das bloss bis ins Mittelalter reichte. Die Stadt publizierte dieses unvollständige Werk als Band 1 der «Veröffentlichungen zur Zofinger Geschichte». Als zweiter Band in der Reihe erschien die Dissertation von Christian Hesse zum Chorherrenstift. 1995 erhielt ein jüngeres Autorenteam den Auftrag, einen dritten Band zum 19. und 20. Jahrhundert zu erarbeiten, der 1999 erschien. Anschliessend war die Lücke vom Mittelalter bis 1798 zu schliessen. Die Kunsthistorikerin Edith Hunziker, die Historikerin Annemarie Roth sowie die Historiker Bruno Meier und Dominik Sauerländer übernahmen dieses Vorhaben und führten das Projekt der Zofinger Stadtgeschichte mit einem schön illustrierten Band zu einem guten Ende. Die Bebilderung basiert auf einem reichen Fundus an Plänen, Gegenständen und Archivalien, die im Stadtarchiv und im Museum Zofingen lagern.

Die Publikation ist chronologisch aufgebaut und vereinigt ein breites Themenspektrum. Neben der politischen Geschichte, dem Alltags- und Wirtschaftsleben erhält besonders die Baugeschichte grösseren Raum. Die Autorinnen und Autoren stellen die lokale Entwicklung immer wieder in den grösseren Zusammenhang. Damit entsteht ein farbiges Bild einer Kleinstadt, die unter bernischer Herrschaft aufblühte. Der Zürcher Stadtarzt Konrad Türst bezeichnete um 1500 Zofi ngen als «Hauptstadt des Aargaus».

Die Anfänge der Siedlung gehen auf einen römischen Gutshof zurück. Auf dessen Territorium existierte in alemannischer Zeit ein Dorf rund um einen Herrenhof und eine Pfarrkirche. Um 1210 verlieh das Adelsgeschlecht der Frohburger Zofingen das Stadtrecht. Die Stadt entwickelte sich zu einem regional wichtigen Marktort, der auf halbem Weg zwischen Bern und Zürich sowie zwischen Basel und Luzern an der Gotthardroute lag. Die Frohburger verkauften Zofingen und weitere Besitztümer in den 1290er-Jahren an die Habsburger. Die Stadtbürger vermochten in dieser Zeit ihre Autonomie gegenüber der Herrschaft zu stärken. Sie verfügten über die Blutgerichtsbarkeit, behielten die Steuerhoheit und konnten die Ratsmitglieder und den Schultheissen selber wählen. Als sich Bern 1415 daran machte, den Unteraargau zu annektieren, ergab sich Zofingen den neuen Herren schnell und konnte als Gegenleistung seine umfangreichen Rechte und Freiheiten behalten.

Zur Zeit der Stadtgründung richteten die Frohburger ein Chorherrenstift ein und holten später weitere Mönchsorden in die Stadt. Das Chorherrenstift unterstand nicht der Stadt selber, sondern der Obrigkeit. Mit der Reformation 1528 löste Bern alle Klöster und auch das Stift auf und übernahm dessen Ländereien und Einkünfte, die weit grösser waren als jene der Stadt. So war das Stift ökonomisch so etwas wie ein Staat in der Stadt. Da es Beamte beschäftigte und Almosen an Arme verteilte, profi tierte jedoch auch die Stadt von dieser Institution.

Der Stadtbezirk grenzte an die Landvogtei Aarburg, die Grafschaft Lenzburg
sowie das luzernische Staatsgebiet und umfasste neben Acker- und Wiesland vor allem Wald. Der grössere Teil der Waldfl äche, die im Besitz der Stadt war, befand sich in den Nachbargemeinden. Die Holzerträge aus diesen Wäldern bildeten bis ins 20. Jahrhundert eine wichtige Einkommensquelle der Stadt. Zu Landwirtschaft und Handwerk als wichtigsten Wirtschaftszweigen gesellte sich ab dem 17. Jahrhundert das Textilgewerbe. Zusammen mit den Städten Aarau und Lenzburg war Zofingen ein Zentrum der frühen Textilindustrie im Unteraargau. Neben der Leinenfabrikation und dem Indiennedruck bauten Zofinger Unternehmer im 18. Jahrhundert vor allem eine erfolgreiche Seidenbandweberei auf. In der Stadt befanden sich die Zentralen dieser Unternehmen; die ländliche Bevölkerung im Umland der Stadt stellte die Seidenbänder in Heimarbeit her. Die herrschaftlichen Häuser, die sich die Textilunternehmer in der Altstadt bauen liessen, zeugen bis heute vom Wohlstand, den dieser Wirtschaftszweig in die Stadt brachte. Bis ins erste Drittel des 18. Jahrhunderts waren Handwerker in den städtischen Räten tonangebend. Danach setzten sich zunehmend die erfolgreichen Textilunternehmer auf der politischen Bühne durch. Ähnlich wie in Bern oder anderen Kleinstädten ist in den Räten auch eine Abschliessung der führenden Geschlechter gegenüber der übrigen Bürgerschaft nachweisbar.

Im 18. Jahrhundert breiteten sich in der Stadt neue Ideen aus. Dazu gehörten der Pietismus, der in Zofingen eine starke Anhängerschaft hatte. Ausserdem gab es in der städtischen Oberschicht in der zweiten Jahrhunderthälfte zahlreiche Freunde der Aufklärung. Diese beiden Strömungen beeinflussten sich auch gegenseitig, was zum Phänomen der «frommen Aufklärung» führte, die in Reformen im Bereich der Schulen und der Armenfürsorge zum Ausdruck kam.

Seit der Reformation ist die Grenze zum Kanton Luzern auch eine konfessionelle Trennlinie. Die Stadtbevölkerung liess ihre Beziehungen zur katholischen Nachbarschaft nie abbrechen, obwohl die konfessionellen Spannungen besonders während der Villmerger Kriege 1656 und 1712 die Kontakte erschwerten. So war Zofingen Marktort für die Luzerner Nachbarschaft, und die Textilunternehmer beschäftigten auch Arbeiterinnen und Arbeiter jenseits der Grenze. Angesichts der strengen Berner Sittenregeln in der frühen Neuzeit besuchten Zofingerinnen und Zofinger auch gerne Tanzveranstaltungen im katholischen Gebiet. Bemerkenswert sind zudem die Beziehungen zum Kloster St. Urban, das in der äussersten Ecke des Kantons Luzern liegt. Das Kloster besass grössere Ländereien im Einzugsgebiet der Stadt Zofi ngen und richtete bereits im 13. Jahrhundert in Zofingen ein Kornhaus und eine Verwaltung ein, um von hier aus die nahe gelegenen Besitztümer kontrollieren zu können. Bis zur Aufhebung des Klosters 1848 übte jeweils ein Zofinger Bürger das Amt des St. Urban-Schaffners aus, der an der Spitze dieser Verwaltung stand.

Die Lektüre dieses Bandes der Zofinger Stadtgeschichte hinterlässt ein lebendiges Panorama einer vielschichtigen Vergangenheit. Die Autorinnen und Autoren verstehen es, die lokale Geschichte auch für Aussenstehende interessant darzustellen. Schade ist bloss, dass ein Sachregister fehlt. Textpassagen zu bestimmten Themen lassen sich leider nur mit mühsamem Blättern finden.

Zitierweise:
Christian Lüthi: Rezension zu: Hunziker, Edith et al.: Zofingen vom Mittelalter bis 1798. Eine selbstbewusste Landstadt unter Habsburg und Bern, Baden, hier+jetzt, 2004 (Veröffentlichungen zur Zofinger Geschichte, Bd. 4), 405 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 67, Nr. 4, Bern 2005, S. 67f.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 67, Nr. 4, Bern 2005, S. 67f.

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